Alles Lob gebührt Allah, und Segen und Frieden seinen auf unserem
Propheten Mohammed, so wie auf seiner Familie und all seinen
Gefährten.
Antwortend auf deine Frage, sagen wir zunächst: Durch Allah kommt der Erfolg.
Die Gelehrten sind sich in der Frage ob es erlaubt ist freiwillig zu fasten, bevor man Ramadān nachgefastet hat uneinig. Dabei bestehen im Großen und Ganzen zwei unterschiedliche Meinungen:
1. Meinung:Freiwilliges Fasten vor dem Nachfasten von Ramadān ist erlaubt. Dies ist die Meinung der Mehrheit, welche es entweder als vollkommen erlaubt oder verpönt ansehen. Die Hanafiten sehen das freiwillige Fasten vor dem Nachfasten von Ramādan als erlaubt an, da das Nachfasten nicht unverzüglich zu leisten ist. Vielmehr ist es eine Pflicht, deren Verrichtung in einem längeren Zeitraum möglich ist. Diese Meinung ist gleichermaßen eine Überlieferung von Ahmad.
Die Malikiten und Shafiiten wiederum sehen es als erlaubt, jedoch gleichermaßen verpönt an, da das freiwillige Fasten das Nachfasten und damit die Pflicht verspätet.
2. Meinung:Das freiwillige Fasten vor dem Nachfasten von Ramadān ist verboten. Diese Ansicht vertritt die hanbalitische Rechtsschule. Die korrekte dieser beiden Ansichten ist die Ansicht das dies erlaubt ist. Dies, da das Nachfasten in einen längeren Zeitraum möglich ist. Darüber hinaus benötigt die Ansicht, dass es verboten und nicht korrekt ist einen Beweis. Diesbezüglich ist jedoch kein Beweis vorhanden, auf den man sich stützen kann.
Was speziell das Fasten der sechs Tage von Shawāl vor dem Nachfasten von Ramadān betrifft, so haben die Gelehrten hier zwei unterschiedliche Meinungen:
1. Meinung:Den Vorzug vom Fasten der sechs Tage von Shawāl erhält man nur, wenn man zuvor die Tage von Ramadān nachgefastet hat, die man während Ramadān aus einem rechtmäßigen Grund nicht gefastet hat. Deren Beweis hierzu ist die Aussage der Propheten -Frieden und Segen auf ihm-, in der Überlieferung von Muslim im Hadīth von Abu Ajūb
al-Ansāri: ((Wer Ramadān fastet und diesem hierauf sechs Tage von Shawāl folgen lässt, ist so, als hätte er das ganze Jahr gefastet)). Das Fasten von Ramadān kommt nur für denjenigen zustande, der die Anzahl vervollständigt hat. Al-Haithami sagte in Tuhfat al-Muhtāg(3/457): „Dies, da es mit dem Fasten von Ramadān, sprich dem komplette Fasten von Ramadān, zustande kommt. Andernfalls erhält man den Vorzug nicht, selbst wenn das Fastenbrechen aus einem rechtmäßigen Grund heraus geschah.“
Ibn Muflihsagte in seinem Werk al-Furū’(3/108): „Der Vorzug des Fastens richtet sich an den, der diese(die sechs Tage von Shawāl) fastet und Ramadān nachgefastet hat, wenn er aus einem rechtmäßigen Grund heraus nicht gefastet haben sollte. Ich vermute, dass dies unsere Gefolgsleute(sprich die, welche der hanbalitischen Rechtsschule angehören) beabsichtigt haben. Was jedoch den Anschein hat, als würde es dieser Meinung widersprechen, so wird dies der vorherrschenden Meinung entsprechend ausgelegt und Allah weiß es am besten.“
Diese Ansicht vertritt ebenso eine Anzahl von zeitgenössischen Gelehrten, wie bspw. unser Sheikh Abdulazīz Ibn Bāz und unser Sheikh Muhammad al-‘Uthaimīn -möge Allah sich ihnen beiden erbarmen-.
2. Meinung:Man erhält den Vorzug des Fastens von den sechs Tagen des Monats Shawāl, selbst wenn man dies vor dem Nachfasten der Tage von Ramadān tut, welche man aus einem rechtmäßigen Grund nicht gefastet hat. Dies ist der Fall, da auf denjenigen, der Tage des Ramadān aus einem Entschuldigungsgrund heraus nicht gefastet hat, die Bezeichnung, dass er Ramadān gefastet hat zutrifft. Wenn er also sechs Tage von Shawāl fastet bevor er die anderen Tage nachholt, erhält er das, wovon der Prophet -Frieden und Segen auf ihm- an Lohn berichtet hat. Dies da er dem Fasten von Ramadān sechs Tage von Shawāl folgen ließ.
Al-Bugaramīberichtet uns in seiner Hāshia zu dem Werk al-Khatīb, nach der Aussage, dass der Lohn demjenigen nicht zukommt, der die sechs Tage dem Nachfasten vorzieht. Hierzu argumentiert er mit der Aussage des Propheten -Frieden und Segen auf ihm-: (( ... daraufhin(thumma/ثم) lässt er sechs Tage von Shawāl folgen))(2/352). Manche Gelehrte antworten wie folgt: „Man könnte sagen, dass das Anknüpfen (des Fastens) die Annahme einschließt, da man Ramadān, wenn man ihn danach fastet(sprich nach den sechs Tagen von Shawāl), so bewertet, als hätte man ihn zuvor gefastet. Oder das Anknüpfen beinhaltet ebenfalls dessen Fasten danach, wie es bei dem freiwilligen Gebet, welches zum Pflichtgebet gehört der fall ist. Daher ist es erwünscht sie(die sechs Tage von Shawāl) zu fasten, selbst wenn man Ramadān nicht gefastet haben sollte.“
In dem Werk al-Mubdī’ heißt es: „Jedoch erwähnte er in dem Werk
al-Furū’, dass derjenige dessen Vorzug(der sechs Tage von Shawāl) erlangt, der diese fastet und Ramadān nachfastet, wobei er diese aus einem driftigen Grund nicht gefastet hat(sprich im Monat Ramadān). Ich vermute, dass dies die Meinung der hanbalitischen Gelehrten ist, wobei hierin jedoch Zweifel bestehen.“
Was sich mir als plausibel ergibt ist, dass die zweite Ansicht die korrektere ist. Besonders da die Wirksamkeit(sprich die sechs Tage gefastet zu haben), mit der man den Vorzug erhält, nicht abhängig davon ist, ob man das Nachfasten von Ramadān vor dem Fasten der sechs Tage vervollständigt hat. Dies ist der Fall, da das Fasten von Ramadān dem Fasten von zehn Monaten entspricht und gleichermaßen durch das vervollständigen dieser Pflicht im Falle des Verrichtens in seiner Zeit, oder durch dessen Nachholen erreicht wird. Und Allah hat für das Nachholen Raum gelassen, er sagt: ((eine (gleiche) Anzahl von anderen Tagen (fasten). Allah will für euch Erleichterung; Er will für euch nicht Erschwernis, - damit ihr die Anzahl vollendet))(2/185). Was die sechs Tage von Shawāl betrifft, so ist der Vorzug auf diesen Monat beschränkt und entschwindet mit dessen Verstreichen. Trotz dieser Tatsache ist es besser mit dem Nachfasten von Ramadān zu beginnen, bevor man sich mit dem freiwilligen Fasten beschäftigt, um seine Pflicht erfüllt zu haben. Jedoch erhält derjenige, der zuerst die sechs Tage fastet und danach das Fasten von Ramadān nachholt auch dessen Vorzug, da es keinen Beweis gibt, der das Erlangen dieses Vorzugs verneint; und Allah weiß es am besten.
Euer Bruder,
Prof. Dr. Khālid al-Muslih
14/10/1424هـ